25.05.2022

AfD Kreisverband Oberallgäu Kempten

Inflation und Krieg – Haben wir das Ausmaß des Krieges verstanden ?

Nur langsam begreifen wir Deutschen, dass wir aus dem ökonomischen Schlaraffenland vertrieben werden. Schuld daran ist auch unsere Debatten-Demenz – das zeigen Talkshows wie „Hart aber fair“. Überdeutlich wird, wer die Last der Krise schultern wird.

In Deutschland gehörte es in den vergangenen Jahrzehnten zur moralischen Lebensführung gehobener Schichten, sich über die Lebensmittelpreise zu beklagen. Allerdings nicht über die steigenden Preise, sondern über den ruinösen Dumping Wettbewerb der den Markt beherrschenden Lebensmittel-Einzelhändler. Ob bei der Milch oder dem Fleisch, den als zu niedrig betrachteten Preisen sollte es nach den Wünschen der Besserverdienenden endlich an den Kragen gehen.

Dieser Ansatz fand sich auch im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Koalitionsparteien, wo etwa geprüft werden sollte, „ob der Verkauf von Lebensmitteln unter Produktionskosten unterbunden werden kann. Den Milchmarkt werden wir weiter beobachten und die Bilanz der Lieferbeziehungen evaluieren.“ In dieser Hinsicht hat die Bundesregierung Wort gehalten: Das Dumping-Problem im Lebensmittel-Einzelhandel muss als gelöst gelten. Nun dienten die schönen Worte aus Koalitionsverträgen schon immer der Pazifizierung innerparteilicher Kritiker, und der Pazifismus ist bekanntlich auch nicht mehr das, was er noch vor wenigen Monaten war. Die größten Kritiker pazifistischer Elche waren früher selber welche, diese maßgebliche Erkenntnis bleibt uns auch in diesen Tagen nicht erspart.

Das Dumping-Problem ist gelöst.

Jenseits dessen war die „Hart aber fair“-Sendung vom 23. Mai (https://www1.wdr.de/daserste/hartaberfair/videos/video-tank-und-einkaufswagen-vollkoennen-sich-das-nur-noch-die-reichen-leisten-100.html) ein gutes Beispiel für die Defizite unserer politischen Debatten: Sie leiden an ihrer Kurzatmigkeit, nicht zuletzt wegen ihrer an Demenz erinnernden Vergesslichkeit. So ist es ein schlechter Scherz, wenn plötzlich wegen der aus dem Ruder gelaufenen Inflation niemand mehr auf die Idee kommt, diese über Nacht dementierten früheren Vorhaben der Bundesregierung überhaupt noch anzusprechen. Das galt in gleicher Weise für einen Einspieler über einen deutschen Großagrarier in der Ukraine. Dieser Landwirt bewirtschaftet mit seinen 50 Angestellten einen Großbetrieb mit 5000 Hektar Anbaufläche und erzielt einen Ertrag an Weizen, Soja, Raps und Mais von insgesamt 30.000 Tonnen. Natürlich ist der Ausfall der Ukraine auf den Weltagrarmärkten ein Problem, genauso wie der von Russland. Aber dieser Landwirt entspricht gerade nicht dem bisherigen Leitbild einer grünen Landwirtschaft, wo der Bio-Bauer das deutsche Gemüt nachhaltig bewirtschaften sollte. Tatsächlich zeigt nicht zuletzt die drohende Welternährungskrise, in welchem Wolkenkuckucksheim die deutsche Politik lebte: Der industriepolitische Kraftprotz konnte es sich dank seiner Leistungsbilanzüberschüsse sogar leisten, notfalls Geld zum Fenster rauszuschmeißen. Deutschland profitierte somit in doppelter Hinsicht von der Globalisierung. Einerseits waren seine industriellen Kernsektoren auf den Weltmärkten wettbewerbsfähig genug, um sich gegenüber der Konkurrenz zu behaupten. Andererseits nutzte es die Vorteile einer Weltwirtschaft, wo standardisierte Konsumgüter immer billiger wurden. Die Inflation als das Schreckgespenst früherer Jahrzehnte hatte wegen der niedrigen Löhne in den sogenannten Schwellenländern ausgedient. Die vergangenen fast zwanzig Jahre waren für die Deutschen somit goldene Zeiten: mit steigenden Realeinkommen und dem großzügigen Ausbau des Sozialstaates. Dieses ökonomische Schlaraffenland prägte nicht zuletzt die Kanzlerschaft von Angela Merkel. Jetzt fallen die Deutschen aus allen Wolken und sind schlicht fassungslos über eine Krise, die plötzlich mehr ist als das obligatorische Krisengerede in den Medien.

Arbeitnehmer schultern die Krise

Diese Fassungslosigkeit konnte Frank Plasberg in seiner Sendung immerhin gut vermitteln, wenn auch die Zuschauer über ihre ökonomischen Hintergründe nichts erfahren konnten. So wusste Anja Kohl als sogenannte „Börsenexpertin“ der ARD außer wirtschaftspolitischen Plattitüden nichts Sinnvolles beizutragen. Was soll man etwa mit einer Aussage anfangen, dass angesichts der Inflation die Löhne steigen, aber eine Lohn-Preis-Spirale verhindert werden müsste, halt mit intelligenten Maßnahmen? Außerdem hat sie die EZB für ihre geldpolitische Tatenlosigkeit gescholten. Das ist zwar berechtigt, aber aus Gründen, die Frau Kohl nicht gefallen werden. Eine Zinswende bedeutet nichts anderes als das bewusste Auslösen einer Rezession, die eine Lohn-Preis-Spirale sehr effektiv verhindert. Damit verschlechtert sich nämlich die Verhandlungsposition der Arbeitnehmer, sie können also in einer Krise mit steigender Arbeitslosigkeit höhere Löhne gar nicht erst durchsetzen. Sie werden damit an den Krisenlasten beteiligt, ob sie nun wollen oder nicht. Gleichzeitig verschlechtern die steigenden Zinsen die Haushaltslage des Staates, er wird faktisch zur Konsolidierung gezwungen. Das wiederum setzt den Ansprüchen aller möglichen Interessengruppen Grenzen, die im Aufschwung problemlos befriedigt werden konnten. Frau Kohl machte ungewollt deutlich, worum es dann geht. Plasberg hatte den fünffachen Familienvater und Erzieher Jens Diezinger eingeladen, um die Auswirkungen der Inflation auf das Leben einer normalen Familie deutlich zu machen. Die steigenden Lebenshaltungskosten hinterlassen ihre Spuren. Aber Frau Kohl meinte, Erzieher würden angesichts ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit zu schlecht bezahlt. Das kann trotz der signifikant besseren Eingruppierung dieser Berufsgruppe in den vergangenen Jahren berechtigt sein, ist aber kein ökonomisches, sondern ein gesellschaftspolitisches Argument.

Letztlich ist der Erzieherberuf eine weitgehend vom Staat bezahlte Dienstleistung. Wird sich aber der Staat in einer solchen Krise eine bessere Eingruppierung einzelner Berufsgruppen überhaupt noch leisten können? Er will schließlich auch noch die Energiewende und den klimapolitischen Umbau der Volkswirtschaft finanzieren, außerdem die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro Sondervermögen beglücken – und der Krieg plus anschließender Wiederaufbau der Ukraine ist auch noch zu bezahlen. Aber jenseits dessen: Wer glaubt ernsthaft, dass die EZB eine solche geldpolitische Rosskur verordnen wird? Insofern war es nachvollziehbar, wenn sich die beiden Politiker in der Runde lieber mit Nebenkriegsschauplätzen beschäftigten. So waren sich Gitta Connemann (CDU) und Christian Dürr (FDP) zwar darin einig, dass der Staat nicht alle negativen Folgen der Inflation ausgleichen könnte. Aber das blieb unverbindlich genug, um uns Zuschauer nicht allzu sehr zu beunruhigen. Stattdessen unterhielten sich die beiden Politiker über die wundersame Wirkung einer Senkung der Einkommensteuer für den Durchschnittsverdiener. Für den sind aber die Sozialversicherungsbeiträge der größere Ausgabenposten, die wiederum in einer Krise mit hoher Arbeitslosigkeit automatisch steigen werden. Geringere Sozialversicherungsbeiträge werden aber den politischen Gestaltungsspielraum für höhere Löhne in Krankenhäusern und Pflegeheimen reduzieren. Ältere Zuschauer erinnern sich unter Umständen noch an diese Debatte in den vergangenen Jahren. Der Forderung nach besseren Löhnen in diesem Sektor stimmte damals jeder zu, allerdings wollte noch nie jemand dafür mehr bezahlen. Oder man erhöht den Steueranteil an der Finanzierung des Sozialstaates, was aber der Entlastung des geplagten Einkommensteuerzahlers fiskalische Grenzen setzt. Oder will man lieber unsere Staatsausgaben mit Hilfe der EZB finanzieren? Das kann man machen, ist aber selbst für geldpolitische Tauben in einem solchen inflationären Umfeld wahrscheinlich keine überzeugende Idee.

Meister seines Fachs

Dafür hatte der Dortmunder Bäckermeister und Vizepräsident des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks, Jürgen Hinkelmann, noch eine beruhigende Botschaft zu vermitteln: Auch im kommenden Jahr werde das Standardbrötchen in seinen Betrieben nicht einen Euro kosten, zurzeit ist es noch für 40 Cent zu haben. Das begründete er unter anderem mit der Preisentwicklung der vergangenen 20 Jahre, die aus den genannten Gründen moderat verlaufen war. Aber bei Hinkelmann war jene Verunsicherung spürbar, die auch ansonsten bei vielen Unternehmen anzutreffen ist. Wenn sich ökonomische Risiken nicht mehr seriös kalkulieren lassen, wird aber unternehmerisches Handeln immer mehr zum Lotteriespiel. Es wäre mittlerweile schon ein Problem, selbst Brötchentüten in ausreichender Menge zu bekommen, so Hinkelmann. Der Marktmechanismus verliert offenkundig seine Steuerungsfunktion, wenn weiterhin die Lieferketten aus politischen Gründen unterbrochen werden. Die Politik schafft damit die Mangelwirtschaft, deren Folgen sie anschließend beklagt. Das hat in der Pandemie begonnen und wird im Ukrainekrieg auf die Spitze getrieben. Politisch ist das nicht steuerbar, sondern lässt sich bestenfalls mit schönen Worten kaschieren. In der Beziehung ist Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ein Meister seines Fachs. So war diese Ausgabe nur in einer Hinsicht bemerkenswert: Sie schilderte die Fassungslosigkeit der Deutschen, wie sie gerade aus ihrem ökonomischen Schlaraffenland der vergangenen 20 Jahre vertrieben werden. Verstanden haben sie das noch nicht. Dafür wurde immerhin das Dumping-Problem im Lebensmittel-Einzelhandel gelöst, wenn auch anders als geplant.

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